Die wesentlichen Änderungen im Kartellgesetz

Kernpunkt der Änderungen im Kartellgesetz stellt die Umsetzung der EU-Schadenersatzrichtlinie dar. Diese Umsetzung hätte zwar bereits bis 27.12.2016 erfolgen müssen. Da dies aber nicht rechtzeitig erfolgt ist, wurden die einschlägigen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen im Kartellgesetz nunmehr rückwirkend mit 27.12.2016 in Kraft gesetzt. Die für die Praxis wesentlichen Änderungen des Kartellgesetzes sind:

  • Einfügung eines neuen Abschnitts über den Ersatz des Schadens aus Wettbewerbsrechtsverletzungen (sogenanntes Private Enforcement). Darin wurden folgende Regelungen normiert:
    • Bei schuldhafter Wettbewerbsverletzung ist der Schädiger zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet. Es besteht eine widerlegbare Vermutung, dass ein Kartell einen Schaden verursacht hat.
    • Der Schadenersatz umfasst auch den entgangenen Gewinn. Die Schadenersatzforderung ist nach ABGB zu verzinsen.
    • Wird eine Wettbewerbsverletzung durch gemeinschaftliches Handeln mehrerer Unternehmer begangen, haften diese solidarisch. Diese Solidarhaftung wird bei kleinen oder mittleren Unternehmen (weniger als 250 Beschäftigte und entweder maximal € 50 Mio Umsatz oder maximal € 43 Mio Bilanzsumme) dann auf die jeweiligen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer beschränkt, wenn das Unternehmen weniger als 5 % Umsatz am relevanten Markt hatte und eine uneingeschränkte Haftung den Unternehmensbestand gefährden würde.
    • Die Haftung des Kronzeugen ist grundsätzlich auf die unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten beschränkt.
    • Der Schädiger kann behaupten, dass der Geschädigte den Schaden teilweise oder ganz an seine Abnehmer weitergegeben hat. Dafür ist der Schädiger aber beweispflichtig.
    • Besondere Verjährungsbestimmungen: Der Anspruch auf Schadenersatz verjährt in fünf Jahren ab Kenntnis von der Person des Schädigers und vom schädlichen Verhalten bzw zumutbarer Kenntnis. Ohne Rücksicht auf Kenntnis oder Kennenmüssen verjährt der Ersatzanspruch in 10 Jahren ab Schadenseintritt. Die Verjährungsfrist beginnt aber erst dann zu laufen, wenn die Wettbewerbsverletzung beendet ist. Die Verjährung ist überdies während eines Untersuchungs- oder Gerichtsverfahrens bezüglich der Wettbewerbsverletzung sowie für die Dauer von Vergleichsverhandlungen zwischen Schädiger und Geschädigtem gehemmt.
    • Ein Prozess wegen eines Wettbewerbsschadens kann bis zur Erledigung des Wettbewerbsverfahrens unterbrochen werden. Eine rechtskräftig festgestellte Wettbewerbsverletzung bindet im zivilrechtlichen Schadenersatzverfahren.
    • Der Kläger in einem Schadenersatzprozess kann die Offenlegung von Beweismitteln beim Schädiger erzwingen.
    • Alle aktenkundigen Beweismittel bei Gerichten und Behörden können im Schadenersatzverfahren auf Antrag des Geschädigten beigeschafft werden.
    • Das Kartellgericht, der Bundeskartellanwalt und die Bundeswettbewerbsbehörde können das Gericht bei der Höhe der Festlegung des Schadenersatzes unterstützen.
    • Das Gericht kann Ordnungsstrafen bis € 100.000 gegen Parteien und deren Vertreter verhängen, wenn relevante Beweismittel entzogen oder untauglich gemacht werden oder Informationen unterlassen oder verweigert werden.
  • Entgegen der bisherigen Rechtslage müssen nunmehr nicht nur stattgebende, sondern auch ab- und zurückweisende Entscheidungen des Kartellgerichts veröffentlicht werden.
  • Die bislang beim OLG Wien geführte gesonderte Liste für Sachverständige in Kartellangelegenheiten wurde aufgelassen. Nunmehr wurde ein eigenes Fachgebiet „Wettbewerbsökonomie“ in der Fachgruppe Steuerwesen, Rechnungswesen, Wettbewerbsökonomie geschaffen, in der sich Sachverständige für Kartellangelegenheiten eintragen lassen können. Diese unterliegen damit der Qualitätskontrolle durch regelmäßige Rezertifizierungen. Die Listenführung für das Fachgebiet Wettbewerbsökonomie obliegt der Präsidentin des Handelsgerichts Wien für das gesamte Bundesgebiet.
  • Den Bedenken, dass kartellgerichtliche Entscheidungen häufig durch Sachverständigen-Gutachten geprägt sind, die kaum überprüft werden können, versucht das Gesetz dadurch zu begegnen, dass dem Kartellobergericht die Möglichkeit eingeräumt wurde, bestimmte qualifizierte Feststellungsmängel im Rekursverfahren zu überprüfen.

Trotz der umfangreichen neuen Regelungen zur privaten Rechtsdurchsetzung von Schadenersatzklagen infolge von Wettbewerbsverletzungen mangelt es dem KartG weiterhin an einer praktikablen Anleitung zur Feststellung der Schadenshöhe aus einer Wettbewerbsverletzung. Der Schaden bemisst sich an der Differenz zwischen dem konkret unter Wettbewerbsverletzungen verrechneten Preis und dem bei funktionierendem Wettbewerb sich ergebenden hypothetisch „richtigen“ Preis. Allerdings hat die Betriebswirtschaftslehre bislang keine anerkannte Methode zur Ermittlung des „richtigen Wettbewerbspreises“ entwickeln können. Weder die Schadenersatzrichtlinie der EU noch die Kartellrechtsnovelle sind dabei dienlich.

Stand: 22. Juni 2017